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 Betreff des Beitrags: Einhorngedicht
Ungelesener BeitragVerfasst: Mi 27. Mär 2013, 11:21 
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R e s t o r f f

aus: Wappensagen

von George Hesekiel


Es ist vor grauen Zeiten
Manch Wunderwerk geschehn,
Um das verklung'ne Sagen
Und stumme Schatten wehn;
Viel große Heldentaten
Deckt des Vergessens Nacht,
Die kaum ein Wappenzeichen
Noch bis auf uns gebracht.
Viel Namen sind verklungen,
Die einst gar stolz geprahlt,
Viel Sterne sind erloschen,
Die einst gar hell gestrahlt;
Von eingesunknen Gräbern
Schlich längst die Dankbarkeit,
Doch leiht das Lied den Taten
Neu die Unsterblichkeit.
Drum forschet nicht, ihr Enkel:
Wie hieß der hohe Ahn'?
Unsterblich lebt im Liede,
Was er dereinst getan.

Es herrscht' in alten Tagen
Ein Fürst am Deutschen Meer,
Von weit und breit die Helden
Sie zogen zu ihm her;
Denn in des Fürsten Halle
Da saß ein holdes Kind,
Um das der Helden Blüte
Mit treuem Dienste minnt.
Doch hat der Kämpen keiner,
Der Schwert und Tartsche führt,
Das Herz des schönen Kindes
Durch Minnedienst gerührt;
Denn einer nach dem andern
Zog unerhört hinaus,
Und einsam blieb die Jungfrau
Im hohen Fürstenhaus.
Sie liebte heiß und innig
Den jungen, schönen Knecht,
Sie folgt dem Zug des Herzens
Mehr als dem Fürstenrecht.


Dem jungen Knaben leuchtet
Ihr holdes Augenpaar,
So wie die Sterne leuchten
Am Himmel blau und klar.
Der Jüngling labt verstohlen
Sich an dem äuß’ren Schein
Und trägt im Herzen heimlich
Die grimme Liebespein. -

Da war's im hohen Sommer,
Schon wurde gelb die Saat,
Da jammernd vor den Fürsten
Die Schar der Ält'sten trat:
"Errette, Herr, errette!"
So klingt ihr Hilferuf,
"Die gold'ne Saat vernichtet
"Des Einhorns breiter Huf!
"Der besten Söhne Viele
"Schon sanken in ihr Blut,
"Doch Keiner kann bestehen
"Des Einhorns Kraft und Mut!" -
Wohl sandte seine Jäger
Der Fürst zur Jagd hinaus,
In Wehr und Waffen zogen
Sie zu dem blut'gen Strauß.
Der besten Jäger viele
Sie sanken in ihr Blut,
Und keiner konnt' bestehen
Des Untiers Kraft und Wut.
Die Saat in gold'nen Breiten
Zertrat sein grimmer Huf,
Und lauter, immer lauter
Erscholl der Jammerruf.
Da sandte seine Ritter
Der Fürst zum Kampf hinaus,
Sie kehrten wie die Jäger
Entsetzt zurück vom Strauß.
Soll denn in Furcht und Bangen
Das ganze Land vergeh’n?
Und wagt das Untier keiner
Im Kampfe zu besteh’n?
Der Fürst, die grauen Räte,
Die saßen ohne Rat,
Bis daß die Jungfrau leuchtend
In ihre Mitte trat:
"Laßt die Trompeter blasen,
"Und laßt verkünden laut,
"Daß, wer das Einhorn tötet,
"Mich küssen darf als Braut,
"Daß ich dem Manne folge,
"Von welchem Stand er sei!


"Durch dessen Hand die Lande
"Von diesem Jammer frei!"
So sprach die hohe Jungfrau
Zum Rat im Fürstensaal,
Doch auf dem Jüngling ruhte
Der Augen Wunderstrahl.

Als nun im ganzen Lande
Erscholl Trompetenklang,
Und als zu aller Ohren
Die neue Botschaft drang,
Da wallt’ zu manchem Herzen
Wohl sehnend heiß das Blut,
Doch Keiner mocht' bestehen
Des Einhorns Grimm und Wut.
Groß waren Furcht und Schrecken,
Und Mut und Hoffnung klein,
Im ganzen Land nur Einer,
Der setzt’ sein Leben ein.
Das war der junge Knabe,
Der still die Jungfrau minnt,
Für den in heißer Liebe
Entbrannt das Fürstenkind.
Er zog hinaus zum Walde,
Die Jungfrau schaut’ ihm nach,
Er hatte wohl verstanden,
Was still ihr Auge sprach.
Er zog voll Mut von dannen,
Und grüßt' im Scheiden sie:
"Als Sieger kehr' ich wieder,
"Als Sieger - oder nie!"

Die Sonne war gesunken,
Die Schatten wurden lang.
Da ward der holden Jungfrau
Im Herzen trüb und bang.
Still stund der Mond am Himmel,
Leis' kam die laue Nacht,
In Schmerz und heißen Tränen
Die Fürstentochter wacht.
Doch als beim ersten Grauen
Der helle Lerchenschlag
Aus Morgentau verkündet
Die Sonne und den Tag –
Da war's ein Jubelrufen,
Das rings zum Himmel scholl,
Und das in tausend Stimmen
Wie Meeresbrandung schwoll.
"Das Einhorn liegt erschlagen,
"Der Jüngling hat's getan,
"Er hat das Land errettet!" –
So scholl es himmelan.



Die Jungfrau schmückt sich prächtig
Mit silbernem Gewand,
Das Myrthenkränzlein sittig
Trägt sie in weißer Hand,
Von ihrem Haupte leuchtet
Die Krone golden k1ar,
Und auf die runde Schulter
Fällt dicht das Lockenhaar.
So grüßet sie den Sieger .
Und küßt ihn als Gemahl –
Laut jubeln rings die Lande
Im hellen Morgenstrahl!


In R e s t o r f f s Schilde bäumet
Sich noch das Einhorn wild,
Und auf dem Wappenhelme
Steht stolz der Jungfrau Bild,
Das trägt eine Krone
im wallenden Haar,
Es schimmert die Krone
So golden, so klar,
Hell blinket in Silber
Ihr bräutlich’ Gewand,
Die Myrthe, die hält sie
In leuchtender Hand,
Sie kündet den Söhnen.
Was vormals der Ahn'
Zu Ehren der Liebe
Im Kampfe getan!


George Hesekiel
Wappensagen
Halle (1881), pp.280-286


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 Betreff des Beitrags: Re: Einhorngedicht
Ungelesener BeitragVerfasst: Mi 27. Mär 2013, 11:58 
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mehr zum Thema Einhorn auch hier:
http://fabelwesen.wikia.com/wiki/Einhorn
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